Montag, 5. März 2018

Arche Noah

Golomen

Si Noé avait eu le don de lire dans l’avenir, il n’est point douteux qu’il se fût sabordé. Im Untergeschoß des inzwischen weitgehend aufgelassenen Hotels hatte sich seinerzeit ein kühles Labyrinth zur Lagerung und Herrichtung des roten Fleisches und des blassen Geflügels befunden. Allein der Fischkeller, wo Barsche, Zander, Schollen, Seezungen und Aale zuhauf auf dem aus schwarzen Schiefer geschnittenen, unablässig von frischem Wasser überflossenen Tischflächen lagen, war ein kleines Totenreich für sich. Die Hauskapelle aber schmückte ein in Goldfarben gemaltes ornamentales Bildnis der unter einem Regenbogen schwimmenden dreistöckigen Arche, zu der gerade die Taube Golomen zurückkehrte, in ihrem Schnabel der grüne Zweig.

Was Ashman anbelangt, so hätte nicht viel gefehlt, und er wäre, als er nach Rückkehr aus dem Krieg zu ersten Mal seit zehn Jahren sein ehemaliges Kinderzimmer wieder betrat, um seinen Verstand gekommen beim bloßen Anblick der Arche, aus dem paarweise die braven, aus der Flut geretteten Tiere herausschauten. Es war, als öffnete sich vor ihm der Abgrund der Zeit, eine Wut stieg in ihm auf, und ehe er auch nur wußte, was er tat, hatte er draußen auf dem hinteren Hof gestanden und mehrmals mit seiner Flinte auf das Uhrtürmchen der Remise geschossen.

Das kleine Haus mit seinem geschindelten Walmdach sah einem auf der Hügelkuppe gestrandeten Schiffchen gleich. Und jedesmal, wenn jemand vorbeikam, schaute gerade der Vater der Romana, der ein verschmitzter Mensch gewesen ist, wie der Noah aus der Arche zu einem der winzigen Fenster heraus und rauchte einen Stumpen auf seinem Waldhörnchen. Man könnte meinen, die Arche Noah sei das zweite Paradies und es würde in unseren Tagen fortdauern, nichts aber wäre falscher als diese Annahme, das friedliche Bild trügt, die Arche war nur ein lange schon vergangenes Kurzzeitparadies. Die in der Arche versammelten braven Tiere liegen nun als rotes und weißes Fleisch auf der Schlachtbank, die der Arche nicht bedürftigen Fische, die gleichsam in ihrem offenen Untergeschoß munter dahingeschwommen waren, bilden längst ein eigenes Totenreich für sich. Der Kriegsheimkehrer Ashman verliert die Beherrschung, als ihm beim Anblick der Arche klar wird, wie sehr er betrogen wurde. Die Taube Golomen kam zu Noah umb vesperzeit, und sihe, ein öleblat hatte sie abbrochen und trugs inn irem Mund, oder, in Erinnerung an Austerlitz‘ kymrische Zeit und an den das Gotteswort bilingual verkündenden Prediger Elias: Pan ddychwelodd y Golomen ato gyda’r hwyr, ir oedd yn ei phig ddeilen olewydd newydd ei thynnu. Scheinbar verkündet Golomen Rettung und Erlösung, in Wahrheit ist sie der Bote des Unheils, des künftigen unendlichen Unglücks, über dem seither Giottos Engel schwebend Klage erheben. Wie ein Dröhnen ist diese Klage zu hören in der Stille des Raums, die Engel selbst aber haben die Brauen im Schmerz so sehr zusammengezogen, daß man  meinen könnte, sie hätten die Augen verbunden. Dem maritimen Paradies der Arche war nicht mehr Dauer beschieden als dem Gartenparadies am Anfang der Zeit.

Mit Noah sollte man nachsichtig umgehen, er war so arglos wie der Vater der Romana und hat nichts geahnt. Ausgestattet mit dem Vermögen, in die Zukunft schauen, hätte Noah den Kahn mit seinen unverständlich hohen Masten zweifellos versenkt, der Hauptmast, wie sich bei näherem Hinschauen erwies, im obern Drittel bereits geknickt, faltige, rauhe, gelbbraune Segeltücher zwischen den Hölzern kreuz und quer gezogen, Flickarbeit, ohnehin keinem Windstoß gewachsen.

Keine Kommentare: