Sonntag, 27. August 2017

Anthropozän

Ikarus

In seinen Tag- und Nachträumen hat der Dichter immer wieder eine vom Menschen befreite Erde vor Augen, vom Flugzeug aus sieht er Traktoren, die führerlos die Äcker pflügen, vom Zug aus Automobile, die fahrerlos durch die Gischt der nassen Landstraße gleiten. Ist der Kraftstoff verbraucht, stehen die Gefährte für immer still. Die Schatten der Wolken laufen über die jähen Abhänge und durch die Schluchten. Nichts rührt sich sonst. Es herrscht die äußerste Stille, denn auch die letzten Spuren des Pflanzenlebens, das letzte raschelnde Blatt oder Rindenfetzchen sind längst verweht, und bloß das Gestein liegt bewegungslos auf dem Grund. Nach der Natur ist vor der Natur, wenn nur der Mensch ausbleibt. In seinen Überlegungen zum Anthropozän greift Sloterdijk eine Berechnung des naturwissenschaftlich und technisch versierten Stanisław Lem auf. Danach findet die gesamte humane Erdbevölkerung leicht wenn auch nicht bequem Platz in einem nur einen Kubikkilometer großen Käfig. Die letzte große Gemeinschaftsaufgabe der Menschheit besteht darin, einen Helikopter zu entwerfen, der geeignet ist, den nach unseren Maßstäben riesigen, aus übergeordneter Sicht aber winzigen Behälter hinaus auf die offene See zu schleppen. Am geeigneten Ort stellt der Pilot den Motor ab, der abstürzende Käfig samt Flugkörper hebt den Pegel der Ozeane nur um den Bruchteil eines Millimeters. Die technischen Lösungen sind immer die saubersten.

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