Freitag, 19. August 2016

Salettl

Lieblinge der Götter

Jung stirbt, wen die Götter lieben, und es ist nicht gesagt, daß es den Götterlieblingen im Leben gut gehen muß. Gerald Fitzpatrick in seiner Begeisterung für die Sterne und das Fliegen war sicher ein Liebling der Götter und bei dem venezianischen Arbeitskollegen Malachi kann man ähnliches vermuten, wenn auch die Belege, angesichts des wenigen, das wir überhaupt wissen von ihm, nicht stringent sind. Das Merkmal des frühen Todes, wenn es denn zutrifft, wird jedenfalls verschwiegen, vielleicht ist Malachi, eine Stufe niedriger, ein bloßer Günstling der Götter. Verwundern jedenfalls könnte es nicht, wenn das ihnen bei der Ausübung des Berufes zugewachsene Vermögen, alles und nicht nur die Sterne aus der größten Entfernung zu sehen, dem Glück der Astronomen förderlich wäre. Ohnehin sind die Sterne selbst das Glück der Götter und, funkelnd wie sie an Kristallschalen geheftet um uns kreisen, das der Menschen gleichermaßen.

Anders als bei den studierten Astrophysikern sieht es aus bei den Sternguckern aus dem Amateurlager. Wäre Ashmans Ahn noch ein Anhänger der Ptolemäischen Kosmologie gewesen, hätte das kaum jemand bemerkt, da er sich als Selenograph so oder so dem letzten Himmelskörper verschrieben hatte, der auch heute noch getreu die Erde umkreist. Zur Astronomie hat den Bewohner von Iver Grove die Schlaflosigkeit gebracht - oder war es umgekehrt? -, wenn der Himmel bewölkt ist, spielt er die ganze Nacht Billard, eine Partie nach der anderen gegen sich selbst. Ein von den Göttern gefördertes Leben stellt man sich anders vor. Der erdnahe Trabant hat vielleicht nicht die nötige Distanz für die Entwicklung des Vermögens, alles aus der größten Entfernung zu sehen. Der Billardspieler stirbt in der Silvesternacht von 1813 auf 1814, das Sterbealter ist nicht bekannt, nichts aber deutet auf einen ungewöhnlich frühen Tod hin.

Weitaus schlechter noch ist es dem Peter Seelos ergangen. Seinen Beruf als Wagner hat er nach und nach aufgegeben. Seine letzte Tat war der Bau des von ihm so genannten Salettls. Dem Dach des Seeloshauses hat er ein Holzgerüst für ein rundum verglastes Observatorium aufgesetzt und den Großteil der ersten Kriegsjahre dort oben zugebracht, indem er die Tage verschlief und bei der Nacht die Sterne studierte. Der Verlust des Nachtschlafes macht den herkömmlichen Astronomen das Leben schwer. Gegen Ausgang des Krieges verschlechterte sich der Zustand des Peter Seelos, bisweilen wandelte er mit einem aus seinen Himmelskarten geschnittenen Umhang im Dorf herum. Schließlich ist er ins Spital nach Pfronten eingeliefert worden, aus dem er aber schon bald wieder entwichen war unter Hinterlassung eines Zettels: Ich bin ins Tirol gegangen. Man ist bis heute nicht auf die geringste Spur gestoßen von ihm und bis auf den heutigen Tag ist nicht bestätigt, daß die Götter den Seelos zu sich gerufen haben.

Keine Kommentare: