Mittwoch, 8. Juli 2015

Schreibmaschinen

L'homme qui tape

Der Brigadiere setzte sich an eine altmodische, überdimensionale Schreibmaschine mit einem fast einen Meter breiten Wagen, spannte einen Bogen Papier ein und verfertigte, indem er den Text halb vor sich hin sprach, halb vor sich hin sang, ein Dokument, das er, als die letzte Zeile geschrieben und das ganze ordnungshalber noch einmal durchgesehen war, mit einem demonstrativen Schwung aus der Walze riß und zuerst mir, der ich diesem Akt der Amtswaltung sprachlos gefolgt war, und dann Luciana zur Unterschrift vorlegte, ehe er selbst unterzeichnete und, zur Vervollständigung des Werkes, mit einem rechteckigen und einem runden Stempel versah.

Tiefe, im Kinosaal gewonnene Bildeindrücke aus unserer Jugend lassen sich heute nicht mehr wiederholen. Maigret konnte seine Fälle nicht ohne Pfeife im Mund lösen, Sam Spade nicht ohne Zigarette. Daniel Craig zeigte sich dieser Tage verwundert, daß er in den Bondfilmen zwar jedwedem die Birne wegblasen, sich aber auf keinen Fall eine Kippe anstecken darf. Massive Verschiebungen im Sittengesetz sind festzustellen, die Fest der Freiheit mündet in die Lizenz zum Töten, der Abschied vom ewigen Lebens gebiert die Order zum langen Leben, eine Order, die sich mit Tabakgenuß, so heißt es, nicht vereinbaren läßt. In den meisten Fällen aber sind es weniger unsere Werte als das Voranschreiten der Technik, das uns verarmen läßt. Wir haben Jean Gabin vor Augen am halböffentlichen Telephon in der dunklen Ecke einer Bar, Bogart, wie er am in der Höhe des Kopfes angebrachten Wandtelephon die Wählscheibe bedient, die Hörmuschel bereits in der anderen Hand. Heute schauen die Kommissarinnen und Kommissare intensiver auf ihr Smartphone als auf den Tatort, uns sagt das nichts. Die Schreibmaschine, in die der Inspektor mit zwei Fingern geduldig das Verhör eintippt, bis der entnervte Verdächtige alles gesteht, hat akustischen Aufnahmegeräten und einem virtuos bedienten PC Platz gemacht, die atmosphärischen Verluste sind enorm, der kriminalistische Gewinn zweifelhaft. Die Dichter aber bewahren die Erinnerung: Cet homme dont j'ai oublié les traits du visage tapait mes réponses à la machine au fur et à mesure que je lui déclinais mon état civil, mon adresse et une prétendue qualité d'étudiant. Il m'a demandé à quoi j'occupais mes loisirs. Enfin, il s'est résolu à taper la phrase suivante: Je passe mes loisirs au cinéma et dans les librairies. Je n'ai jamais fréquenté le café de la Tournelle.
Nicht wenige sammeln und hegen alte Schreibmaschinen, in Restaurants sind sie zum Zweck der Pflege des Ambientes eingesetzt. Die Schreibmaschinen der Dichter sind keine musealen Stücke, sie tun ihren Dienst, die Maschine mit dem riesigen Wagen (eine Olivetti?) ist unserer aller bleibende Freude. Der Brigadiere reiht sich ein in die lange Reihe der Figuren, die in Billy Wilders Avanti, Avanti Jack Lemmon von einem Italienverächter in einen leidenschaftlichen Liebhaber des Landes verwandeln, zugegebenermaßen mit tatkräftiger Unterstützung der Engländerin Pamela Piggott, ohne die es nicht hätte gelingen können. Modiano, bei dem die Luft immer von einem leichten Wind des Bösen durchweht ist, versetzt uns in einen alten Film noir ohne Farbe. L'homme qui tape in Un cirque passe ist, wie sich dann zeigt, von genreuntypischer Menschenfreundlichkeit.

Keine Kommentare: