Samstag, 4. Februar 2012

Kommentar Vergeltung

In welchem Verhältnis der Verfasser des Briefes zu der Empfängerin, einer gewissen Sophie, steht, wird im einzelnen nicht deutlich, in jedem Fall aber gibt er sich Mühe beim Schreiben des Briefes. Die Fahrt hinunter zur Küste, zumeist im Leerlauf, dann aber auch immer wieder die mit einem gewaltigen Schlag im Getriebe einsetzende Motorkraft, wird fast lebendiger, als wenn man sie selbst unternommen hätte. Aber womöglich macht er sich nicht speziell für sie die Mühe, sondern kann nicht anders, hat sein Metier im Verfassen überragender Prosa. Die, so hat es den Anschein, eigens für Sophie entworfene Interpretation des Buchtitels einer seinerzeit nicht einmal unbekannten amerikanischen Kriminalschriftstellerin wirkt denn auch, bei aller Originalität, ein wenig an den Haaren herbeigezogen, und es bleibt offen ob Sophie sie nachvollziehen kann. Als der Reisende wieder zum Fenster herausschaut, scheint es, als sei der Tag der Vergeltung über das Land hinweggegangen. Vergeltung wofür? Diese Frage sollte man nicht stellen, wenn Kafka in der Nähe ist. 
 26.2.1911

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