Montag, 18. Oktober 2010

Ich schreibe nun wieder

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Wie behütet habe ich mich nicht gefühlt, wenn ich in meinem nachtdunklen Haus am Schreibtisch saß und nur zusehen mußte, wie die Spitze des Bleistifts im Schein der Lampe sozusagen von selbst und in vollkommener Treue ihrem Schattenbild folgte, das gleichmäßig von links nach rechts und Zeile für Zeile über den linierten Bogen glitt. Jetzt aber war mir das Schreiben so schwer geworden, daß ich oft einen ganzen Tag brauchte für einen einzigen Satz, und kaum daß ich einen solchen mit äußerster Anstrengung ausgesonnenen Satz niedergeschrieben hatte, zeigte sich die peinliche Unwahrheit meiner Konstruktionen und die Unangemessenheit sämtlicher von mir verwendeten Wörter. Ich bin dann von Prag aus nach Wien gefahren in der Hoffnung durch eine Ortsveränderung über diese besonders ungute Zeit hinwegzukommen. Es hat geholfen, ich schreibe nun wieder, nach der Art der Dichter, schreibe, was ich gehört habe, was mir anvertraut worden ist. Doch ist es mir nicht anvertraut worden als Geheimnis, das ich bewahren müsse, anvertraut unmittelbar wurde mir nur die Stimme, die sprach, ihre Klangfarbe, das Übrige ist kein Geheimnis, ist vielmehr Spreu; und das, was nach allen Seiten fliegt, wenn Arbeit getan wird, ist das, was mitgeteilt werden kann und um die Barmherzigkeit bittet, mitgeteilt zu werden, denn es hat nicht die Kraft, verlassen stillzubleiben, wenn das, was ihm Leben gab, verrauscht ist.

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