Sonntag, 17. Oktober 2010

Auf Wohnungssuche

Aus dem Schattenreich
Kommentar
Ende September fuhr ich mit Marie auf Wohnungssuche nach M. hinaus. Über Felder, an Hecken entlang, unter ausladenden Eiben hindurch, vorbei an einigen zerstreuten Ansiedlungen, geht die Straße an die fünfzehn Meilen durchs Land, bis endlich M. auftaucht, mit seinen ungleichen Giebeln, dem Turm und den Baumgipfeln kaum aus der Ebene ragend. Wir brauchten nicht lange, um das Haus zu finden, es war eines der größten am Ort, verborgen hinter einer mannshohen Mauer und einem dicht ineinandergewachsenen Gebüsch aus Stechholder und lusitanischem Lorbeer. Die Fassade des breit hingelagerten klassizistischen Hauses war überwachsen von wildem Wein, das Haustor schwarz lackiert. Mehrmals betätigten wir den Türklopfer, einen messingnen, geschwungenen Fischleib, ohne daß sich im Inneren des Hauses etwas gerührt hätte. Da war ein äußerst niedriges Türchen, das unmittelbar in den Garten führte, nicht viel höher als die Drahtbogen, die man beim Croquetspiel in die Erde steckt. Wir konnten deshalb nicht nebeneinander in den Garten gehn, sondern einer mußte hinter dem andern hineinkriechen. Marie erschwerte es mir noch, indem sie mich, gerade als ich mit den Schultern in dem Türchen fast eingeklemmt war, noch an den Füßen zu ziehn anfing. Schließlich überwand ich es doch und auch Marie kam erstaunlicherweise durch, allerdings nur mit meiner Hilfe. Wir waren mit dem allen so beschäftigt gewesen, daß wir gar nicht bemerkt hatten, daß der Hausherr offenbar schon von allem Anfang an in der Nähe stand und uns zugesehen hatte. Das war Marie sehr unangenehm, denn ihr leichtes Kleid war bei dem Kriechen ganz zerdrückt worden. Aber nun ließ sich nichts mehr verbessern, denn der Hausherr begrüßte uns schon, mir schüttelte er herzlich die Hand, Marie klopfte er leicht auf die Wange. Ruhig hörte sie seine Begrüßungsworte an und zog sich unterdessen die grauen Handschuhe, die ich ihr gestern gekauft hatte, langsam an. Im Grunde war es mir ja sehr lieb, daß sie die Prüfung in dieser Art bestand. Der Hausherr lud uns dann ein, ihm zu folgen, wir gingen in der Richtung des Hauses, der Hausherr war immer einen Schritt vor uns, aber immer halb zu uns zurückgewendet. Soviel er sagen könne, sei die Wohnung noch nicht vergeben, doch müßten wir uns in jedem Fall bis zur Rückkehr seiner Frau gedulden, denn sie sei die Besitzerin des Gartens, er dagegen nur ein Bewohner des Gartens.


Keine Kommentare: