Donnerstag, 10. September 2009

Sebaldos: Ambros Adelwarth

Ein Dialog
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Ja sam właściwie mego wjucznego dziadka Adelwartha nie pamiętam.

Χριστιανος
Ich habe trotz Krankheit, eine schwere Erkältung hatte mich niedergeworfen, den Onkel Ambros zu Ende gelesen, Περεκράτης, und fühle mich in dieser Geschichte wie mitten in Sebalds Welt angekommen.

Περεκράτης
Lieber Χριστιανος, Du stürmst mit einem Eifer durch den Σεβαλδος, daß ich Dir kaum folgen und mich gebührend auf das Gespräch einstellen kann, keinesfalls aber will ich in dieser Sache mäßigend auf Dich einwirken.

Άρκτος
Sehr würde es mir gefallen, wenn ich diesmal Euren Gesprächen lauschen könnte.

Χριστιανος & Περεκράτης
Willkommen, Άρκτος!

Άρκτος
Da ich eher ein fauler Romanleser bin, fehlen mir leider die Kenntnisse, um an Eurem Dialog intensiv teilzunehmen. Ich bin derzeit auch mehr an vegetabiler Poesie und entsprechenden kurzen Prosaabschnitten interessiert.


Χριστιανος
Mit dem Onkel Adelwarth begegnet uns, wenn man dem Gelehrten aus Ηέα Yορκη vertrauen darf, erstmals eine fiktive Figur in den Erzählungen Sebalds. Sie erhebt sich über die offenbar realen Onkeln und Tanten in Ηέα Yορκη, die zu Beginn vorgestellt werden und sozusagen das Fundament der Handlung liefern.

Περεκράτης
Das Verhältnis von Realität und Fiktion ist sehr kompliziert beim Σεβαλδος, oder wiederum auch nicht, weil der Unterschied nicht groß ist für ihn. Die erinnerte Realität, aus der etwa die Verwandten aufsteigen, ist letzten Endes auch immer Fiktion.

Χριστιανος
Was von den Verwandten des Σελυσσες dann über den Ambros Adelwarth berichtet wird, läßt eine Eigenart des Σεβαλδος zum Vorschein treten, die man bei den vorangegangenen Erzählungen, den realen also, bereits ahnen konnte: Σεβαλδος hat wie Goethe die Lust zu fabulieren, die der alte Meister ja nach einem berühmten Selbstzeugnis von seiner Mutter erbte. Σεβαλδος läßt es, um es derb zu sagen und damit ein Gegengewicht zu der Sensibilität aller seiner untröstlichen Figuren zu bilden, erzählerisch gerne krachen.

Περεκράτης
Dem Goethe, den alle als groß ansehen, und den auch unser Freund Άρκτος über alle anderen stellt, habe ich nie sonderlich nahe kommen und seine Prosaschriften nur mit einiger Mühe lesen können. Schwierigkeit habe ich auch mit der λέχη Krachen in ihrer Anwendung auf den Σεβαλδος. Soweit ich sehe, ist der Σεβαλδος ohne Unterlaß auf den Samtton seiner Sätze bedacht.

Άρκτος
Nichts geht über den Altmeister!

Χριστιανος
Wie auch immer, der draufgängerische Cosmo Solomon, den der Onkel Adelwarth als Butler und homoerotischer Bruder durch die Welt begleitet, ist für das, was ich meine, die richtige Figur. Er reitet gelegentlich zu Pferd die Treppen von Nobelhotels hinauf und hat alles Geld der Welt, um mit dem Onkel die Fluchtpunkte eines in allerlei Sehnsüchten verglühenden Lebens anzusteuern.

Περεκράτης
Der Cosmo ist in höchstem Maße exzentrisch, aber doch von Beginn an, wenn ich so sagen darf, unterminiert, jedenfalls kein unbekümmerter Kraftkerl. Sein späteres Leben ist jammervoll, und sein Tod nicht weniger.

Χριστιανος
Ihr gemeinsames Ende finden sie in der Nervenklinik Samaria, die in schöner Umgebung im nördlichen Teil des Bundesstaates New York gelegen ist. Beide verdämmern dort, wenn auch in großem zeitlichen Abstand und aus unterschiedlichen Ursachen. Der am Ende immer stiller werdende Cosmo verlöscht um 1925 herum wie von selbst, dem Onkel Ambros dagegen nimmt in den 50er Jahren eine Elektroschocktherapie, die er jahrelang klaglos erträgt, schließlich jeden Lebenswillen und jede Art von persönlicher Identität.

Περεκράτης
Ich denke, der Ambros Adelwarth ist ein Ausgewanderter in dem Sinne, den ich in unserem letzten Gespräch habe darzustellen versucht. Er ist natürlich ganz leibhaftig nach Amerika ausgewandert, aber vor allem wandert er immer mehr aus dem Leben aus. Nur das Pflichtgefühl, das alles in seinem Leben überragt, hat ihn an einer Eremitenexistenz gleich der des Selwyn gehindert und hindert ihn auch am Selbstmord. In der Klinik des Doktor Fahnstock sucht er keineswegs Heilung, sondern recht unverblümt den Tod, den er sich nicht selbst geben will.

Χριστιανος
Die Auflösung von Personen, ja von ganzen Lebenswelten ist das zweite Thema, das sich hinter der eher lebenszugewandten Art des Σεβαλδος, zu erzählen und seinen Lesern zu gefallen, öffnet und zunächst das erste Thema vollkommen zu verdrängen scheint. Im Laufe der Geschichte gehen beide Themen aber eine Allianz ein, denn der Leser wird weiterhin in den Bann einer guten Erzählung geschlagen, auch wenn es jetzt um das Verlöschen der Personen und der Handlung geht. So ist es etwa bei dem späteren Besuch des Σεβαλδος in der Samariaklinik 1984. Dort lebt noch der Assistent des Doktor Fahnstock, der den Onkel Ambros mit seinen Stromstößen als Person nach und nach pulverisierte, und der Besuch der langsam zerfallenden Klinik ist ein weiteres erzählerisches Paradestück, gipfelnd im phantastischen Chor der Mäuselegion, die nachts aus der leeren Klinik ihr Lied ertönen läßt.

Περεκράτης
In einer seiner gelehrten Schriften preist Σεβαλδος die bedingungslos allem Lebendigen zugetane Prosa des Gottfried Keller in einer Weise, die in der Tat die Annahme schwer macht, er selbst habe etwas ganz anderes oder gar das Gegenteil angestrebt. Was sein Bemühen, dem Leser zu gefallen anbelangt, so können wir uns vielleicht auf das einigen, was der Σεβαλδος in einer anderen seiner gelehrten Schriften selbst etwas komplizierter ausdrückt: Konfession und Mitwisserschaft gehören unabänderlich zu den dynamischen Grundstrukturen der erzählenden Literatur. Unsere Geschichten können nur gelingen, wenn es ihnen gelingt, sich als ein eigenständiges Modell zwischen der Phantasie des Autors und derjenigen des Lesers einzurichten. Selbst glaube ich den Bildnissen, die der Χριστιανος Scholz vom Σεβαλδος gefertigt hat, die Freude am Erfolg ablesen zu können, und worauf gründet sich der Erfolg, wenn nicht auf dem Gefallen der Leser.
Deiner Einschätzung der Darstellung der zerfallende Klinik als erzählerisches Paradestück kann ich nur ohne jede Einschränkung beipflichten und will nur ergänzen, daß der phantastische Chor der Mäuse eine der vielen verdeckten Huldigungen an den Kafka ist, diesmal an seine Geschichte von: Josefine, der Sängerin oder Dem Volk der Mäuse.

Χριστιανος
Immer wieder bricht in die Fassade der Realität, der offenbar nach sorgfältig geplanten Ortsbesuchen exakt dargestellten Welt oder der aus Tagebüchern präzise rekonstruierten Erinnerungswelt (so ist etwa der zunehmende Mond kurz vor dem 6.9.1913, wie den Annalen zu entnehmen ist, korrekt) eine weitere, fast magische Gegenwelt ein. Störche erscheinen 1913 über Istanbul und füllen den Himmel „wie einen bewegten Baldachin“, durch den Bosporus begleiten „Hunderte, wenn nicht Tausende“ Delphine das Boot, eine Taube so groß wie ein Hahn geht vor den Reisenden her, bis sie einen jungen Derwisch finden. Solche und ähnliche Wunder widerfahren den beiden wie in einem Traum Reisenden, denen am Ende das Leben erlischt, gerade als wollten sie es nie gelebt haben.

Περεκράτης
Sehr zu Recht, Χριστιανος, weist Du auf das Jahr 1913 hin, das hier unter derart magischen Zeichen steht. Beim Σεβαλδος hat dieses Jahr eine ganz besondere Bedeutung, seine ganze Dichtung von den Schwindel.Gefühlen wird gleichsam von dieser Jahreszahl zusammengehalten. Viele Dichtungen auch anderer Dichter freilich machen sich zu schaffen mit diesem letzten Jahr vor dem Ausbruch des großen Weltenbrandes, nicht zuletzt auch das in jeder Beziehung große Buch vom Mann ohne Eigenschaften, aus dem unser Άρκτος uns so gern zitiert.

Χριστιανος
Man könnte solche magischen Passagen anzweifeln, wenn Sebald nicht selbst über eine Magie verfügen würde, die das Buch auf eine glückliche Weise zusammenhält und zu einer Einheit macht. Sebald kann nämlich beim Gang durch Stätten der Erinnerung hinter allem Verfall, den er grandios beschreibt, und hinter aller Veränderung die alten Zustände nicht nur ahnen, er kann die historischen Personen in der neuen Umgebung sogar gerade so umhergehen lassen, als sei ihre Geschichte nie vergangen. Cosmo und Ambros werden 1991 im Hotel „Normandy“ gesehen, während nebenan im Casino As Tears Go By von den Rollenden Steinen gespielt wird. Sie essen unter dem regen Interesse des gesamten Speisesaals einen Hummer, der noch im gekochten Zustand in der Lage ist, seine Glieder zu bewegen und somit zu einer Art Wappentier für den Behauptungswillen des Vergangenen über das Gegenwärtige wird.

Περεκράτης
Vergangenheit und Gegenwart zusammenzuhalten, ist eine der großen Aufgaben die sich der Σεβαλδος stellt.. Worin sie besteht, bekennt er an anderer Stelle, weiß er so genau auch nicht: Welchen Zusammenhang gibt es, habe ich, wie ich mich erinnere, damals gefragt und frage mich jetzt wieder, zwischen den sogenannten steinernen Zeugen der Vergangenheit und dem, was als eine undeutliche Sehnsucht über unsere Körper sich fortpflanzt, um sie zu bevölkern, die staubigen Landstriche und die überschwemmenden Felder der Zukunft.
Der Hummer muß sich freilich, mehr noch als der Waschbär im Antwerpener ξωολογικός κήπος in einer völlig falschen Welt vorkommen, in die er gewissermaßen ohne sein eigenes Zutun geraten ist. So wie Du ihn vorstellst und wie er seine Glieder bewegt, kommt mir überdies der Käfer Samsa des Kafka in den Sinn, der sich plötzlich als gänzlich verkehrter in einer vorgeblich richtigen Welt wiederfindet.

Χριστιανος
Der Aufenthalt des Ambros in Jerusalem, der heiligen Stadt, ist unendlich traurig. Die Stadt ist in einem Maße verrottet, da ist das Manchester von Max Aurach, durch das ich im Moment schreite, gar nichts dagegen. Übrigens wird auch hier deutlich, daß Σεβαλδος an geschichtlichen Einordnungen und Schuldzuweisungen nicht interessiert ist. Die Cäsaren haben mit dem Zerstörungswerk begonnen, wer danach alles den Verfall beschleunigt hat, ist gleichgültig. Das Jerusalem des Paulus dagegen ist eine lebendige Stadt, am Ende der Zeiten soll sie es erneut sein. Am Ende erhebt sich die Geschichte zu einem Ausblickspunkt weit oberhalb der bewohnten Erde. Man wird schwindlig, notiert der Onkel Ambros in sein Tagebuch, wenn man zurückblickt – gerade so, als ob man gar nicht zurück, sondern nach unten schaue, von einem jener Türme, die sich im Himmel verlieren. Auch in dieser Geschichte bin ich dem Σεβαλδος gerne auf einen seiner Türme gefolgt.

Περεκράτης
Jerusalem, so wie Ambros und Cosmo es kennenlernen, ist unendlich traurig, die ganze Erzählung der Orientreise der beiden aber ist von beklemmender, surrealer Schönheit. Verstärkt sich die Traurigkeit in diesem Kontrast oder wird sie im Sinne des großen Hegel aufgehoben? Ist vielleicht nicht der Erzählvorgang selbst die Verheißung von χαρις και ειρηνη, die beim Σεβαλδος natürlich nicht an der von Paulus vorgesehenen Stelle zu erwarten ist.
Mit Vergnügen, Χριστιανος, habe ich vernommen, daß Du Dich schon mit der Erzählung von Max Aurach beschäftigst, so daß wir uns sicher schon bald wiedersehen. Χαίρετε!

Χριστιανος
Χαίρετε!

Άρκτος
Χαίρετε!



-->... z jednej z owych wież, które giną w niebiosach.

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