Montag, 7. Juli 2008

Der Bruchpilot

Namen sind Schall und Rauch, das ist die Mehrheitsmeinung, zu diesem Thema ist aber auch schon anderes formuliert worden. Bei der Lektüre von Josef Quack: Falscher Ruhm, 2004 jedenfalls läßt sich der Gedanke an den berühmten Bruchpiloten mit fast gleichlautenden Namen kaum unterdrücken. Eine klassischere Bruchlandung wurde auf literarischem Gebiet kaum jemals hingelegt, man muß von einer Katastrophe der militärischen Literaturluftfahrt sprechen.

Quack startet befeuert vom Überlegenheitsgefühl gegenüber amerikanischen Kritikern und ihren deutschen Kopiloten und steigt auf, um Sebald vom Himmel zu holen. Dabei hat er im Hochgenuß schon des in Aussicht genommenen gewaltigen Höhenflugs vergessen, die Treibstofftanks zu überprüfen. Das erweist sich in dem Augenblick als fatal, als er versucht, auf Sebalds Fata morgana niederzustoßen, während Sebald selbst natürlich so weit über ihm schwebt, daß er ihn gar nicht sehen kann. Es hilft nichts, schon ist der Sprit aufgebraucht, coming down is the hardest thing if you ain’t got no single wing. Es gilt, das Gelände zu erkunden, davon hängt alles ab, fliege ich über Land oder über Wasser, überm Gebirge oder über Sümpfen, aber die Orientierung ist wahrhaftig nicht einfach: Das Buch hat keine Gattungsangabe, der Eindruck des Authentischen ist erschlichen, ein Roman, eine fiktionale Erzählung, das Lob gilt dem Thema – wenn wir da nur auf der richtigen Route sind, dann wäre Hoffnung, der Pilot hätte recht, denn in der Tat sollte niemand, der auf sich hält, einen Roman lesen, der "sich eines Themas annimmt". In jedem Fall gilt es, in der höchsten Gefahr kühl und nüchtern zu bleiben: nüchtern und rational betrachtet, die sprachliche Armut und Ungeschicklichkeit, die stilistische Unbeholfenheit, an dem Verstand der Lobredner zweifeln – na, das ist aber gründlich schief gegangen, nichts mit kühl und nüchtern, dieser Eindruck läßt sich nur aus der Verbindung von total falscher Geländeeinschätzung und sich anbahnender Panik des Absturzes erklären. Und jetzt sind offenbar auch alle Anzeigeinstrumente ausgefallen - die denkbar ödeste Form, eines der unlebendigsten und langweiligsten Prosastücke – absoluter Blindflug - aber da gottseidank, ein deutliches Orientierungsmal: abschnittslose, blockartige Form, die ihre gewollte Analogie in der Ästhetik des Widerstands von Peter Weiss hat - ja, aber ist es denn wirklich der Mont Blanc gewesen, der dort in der Ferne vorüberhuschte, und nicht eher der Piz Proust oder, wahrscheinlicher noch, der San Bernhardino? Endlos ist die Zahl der Gipfel und Höhn! – kokettiert mit seiner sprachlichen Dürftigkeit - Gesu bambino! Blasses, trockenes, eintöniges Papierdeutsch - O Jezus najslodszy! Sancta Maria Immaculata! Hoffnung auf Rettung besteht nicht mehr – man muß dann die Hälfte des Textes, gut zweihundert Seiten hinter sich bringen, um auch nur auf die Spur eines Gehalts zu treffen - Jesus wept! He wept for sure! Reise- und Begegnungsbanalitäten, die die einzige Funktion haben, die Seiten zu füllen - ja, wir alle müssen sterben, aber so? - die Steuerung hat den Geist aufgegeben, das Ruder reagiert nicht mehr - und nun auch schon das letzte, finale Hindernis, wieder trifft es die arme Susi Bechhöfer, aber warum auch hat sie sich nörglerisch und wichtigtuerisch dorthin gepflanzt, anstatt sich einfach nur schwerelos emportragen zu lassen zu denen, die ganz oben fliegen, Aufprall, sapienti sat, Totalschaden, der Pilot, der bis zum Ende mutig den Schleudersitz verschmäht hat, ist offenbar wie durch ein Wunder ohne sichtbare Blessuren davongekommen, das freut uns trotz allem für ihn.

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